Stellungnahme der Grünen Kommunalfraktionen im Kreis Olpe zum Regionalplanentwurf

Die Offenlegung des Regionalplanentwurfs und die Möglichkeit zur Stellungnahme bis
Ende Juni bewegt derzeit die Gemüter. Auch in den Kommunen des Kreises,
Verbänden und Parteien werden die mehrere Tausend Seiten diskutiert, insbesondere
vier Themenbereiche stehen in der Diskussion: Die Ausweisung von Siedlungs- (ASB)
und Gewerbeflächen (GIB), die Festlegung von Bereichen zum Schutz der Natur
(BSN) sowie die vorgesehenen Windenergiebereiche (WEBs). In der WP/WR war von
„Fesseln für die Kommunen“ zu lesen und dass die Gemeinden auf die Barrikaden
gehen. Daher lohnt sich mal ein genauer Blick in den Entwurf und die zugrunde
liegenden Rechtsgrundlagen, statistischen, wirtschaftlichen und auch ökologischen
Fakten und prognostizierten Annahmen.
Zunächst ist unseres Erachtens ein Hinweis auf die veränderte Ausgangslage seit dem
29. April angebracht: Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum
Klimaschutz stellt sich die Frage, ob der Regionalplanentwurf die Fragen der
Generationengerechtigkeit über 2030 hinaus ausreichend betrachtet. Die
Entscheidung ist zweifelsohne eine Sensation mit weitreichenden Folgen für alle
Lebensbereiche, auch im RP Arnsberg. Mit dem Urteil wurde höchstinstanzlich
festgestellt, dass Klimaschutz nicht beliebig ist, sondern grundlegender Bestandteil
jedweder Gesetzgebung und Planung sein muss. Dieser Prämisse muss zukünftige
Gesetzgebung folgen und damit muss auch die Regionalplanung an diese Grundsätze
angepasst werden. Die Gemeinwohlwirkung tritt damit deutlich mehr in Erscheinung
als dies bisher von vielen Beteiligten wahrgenommen worden ist. Der Planungsraum
als klimarelevanter Teil unserer Umwelt wird klimapolitisch enorm aufgewertet. Als
CO2-Senke (Wald), als Ort des Arten-, Natur-, Wasser-, Boden-, und
Atmosphärenschutzes wird er zunehmend Bedeutung haben. Daher halten wir es für
angebracht, dass die Bezirksregierung den Entwurf zurückzieht und komplett im Sinne
des Urteils überarbeitet.
Grundlage für den Regionalplan ist das Raumordnungsgesetz NRW und der
Landesentwicklungsplan (LEP). Die Bezirksregierungen haben den Auftrag,
regionalplanerische Grundzüge zu erarbeiten und die Flächennutzung zu steuern.
Hinzu kommen noch Bundesgesetze: so sieht z.B. auch die aktuelle Bundesregierung
vor, dass der Flächenverbrauch in Deutschland bis zum Jahr 2035 zu halbieren und
bis 2050 auf Netto-Null zu reduzieren ist, das bedeutet: wenn an einer Stelle Fläche
versiegelt wird (z.B. für ein Gewerbegebiet, oder ein Einfamilienhaus oder ein
Windrad) muss anderer Stelle entsiegelt werden. Führt man sich vor Augen, dass
dieser Regionalplan frühestens 2025 in Kraft treten und dann für 15-20 Jahre Gültigkeit
hat, wird deutlich, dass eine Reduktion des Flächenverbrauchs eine zwingende
Anforderung an diesen Plan und für die betroffenen Kommunen ist. Der LEP der alten
Landesregierung sah bereits vor, den Verbrauch in NRW auf 5ha/Tag zu reduzieren,
doch hat schwarz-gelb im Rahmen der Entfesselungspolitik dieses raumordnende Ziel
wieder aufgehoben. Flächen sind jedoch endlich, d.h. wenn wir den Flächenverbrauch
weiter so gestalten wie derzeit, sind wir in ca. 200 Jahren am Ende. Hinzu kommt, der
für den ländlichen Raum weiterhin vorhergesagte Rückgang der Einwohnerzahlen. Die
Bezirksregierung weist darauf nochmals in einem Schreiben an den Landrat und die
Bürgermeister des Kreises mit Datum von 27. April 2021 hin. „Es scheint in den
bisherigen Gesprächen nicht klar geworden zu sein, in welcher Situation sich der
Planungsraum befindet. Insbesondere der massive Bevölkerungsverlust in
überwiegenden Teilen des Planungsraum erfordert ein regionalplanerisches, aber
auch kommunales Handeln“.
Für den Kreis Olpe wird ein Rückgang der Einwohner*innen zwischen 3-15%, je nach
Kommune prognostiziert – somit ist es nicht verwunderlich, wenn weniger
Wohngebiete, wenn weniger allgemeine Siedlungsbereiche ausgewiesen werden. Die
Politiker*innen in den Räten und die Verwaltungen müssen kreativ werden und im
Bestand neugestalten: Aufwertung der Innenstädte; Nutzung des Planungs-Konzepts
Urbane Gebiete, Innenverdichtung, TinyHouses, generationengerechtes barrierefreies
Umbauen von nicht mehr genutzten Büro- und Geschäftsräumen, etc. Deutlich zu
machen ist an dieser Stelle auch, dass es sich für die Kommunen um fiktive
Flächenrücknahmen handelt: In der Lennestadt z.B. besteht laut Berechnung ein
Überhang von 49ha zwischen Regionalplan und Flächennutzungsplan, es stehen aber
nach dem RP-Entwurf weiterhin 15ha Bedarfe für die Bebauung zur Verfügung – ohne
Baulücken in den jeweiligen Siedlungen. Für Olpe beträgt der Bedarfswert 19ha, für
Attendorn 17ha, für Wenden 16ha, für Drolshagen 10ha, für Finnentrop 14ha und für
Kirchhundem 8ha.
Auch eine weitere, bedenkenlose Forderung nach Ausweisung von neuen Gewerbeund
Industriegebieten ist aus unserer Sicht nicht zielführend. Sicher werden wir um
das eine oder andere Gewerbegebiet nicht herum kommen, aber vorrangig sind auch
hier, in den bestehenden und erschlossenen Bereichen, kreative Maßnahmen
erforderlich: eine Re-Nutzung von Brachen und eine effektive Flächennutzung sind
zwei Möglichkeiten, insbesondere in den vielfach in großen Dimensionen zur
Verfügung stehenden Parkflächen, gibt es Gestaltungsspielräume: Mehrstöckige
Parkhäuser oder ggf. auch mal eine Tiefgarage, die Unterstützung der Belegschaften
bei der Nutzung des ÖPNV oder Firmenbusse statt des eigenen PKW, Gründächer
und Photovoltaik zur Schonung des Klimas und Produktion regenerativer Energie.
Darüber hinaus ist zu überlegen, ob Flächen in neu ausgewiesenen GIB konditioniert
vergeben werden: an Unternehmen, die klimaneutral aufgestellt sind, an
Unternehmen, die in Zukunftstechnologien investieren oder an Unternehmen, die sich
den globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) oder der Gemeinwohlökonomie
verpflichten. Erfolgreiche Unternehmen werden zukünftig an Klimaneutralität
gemessen, um wettbewerbsfähig zu sein.
Die Fläche, der Boden ist zu wertvoll, um einfach zugebaut zu werden. Es sind keine
Freiräume, die man bedenkenlos nutzen kann: Es sind landwirtschaftliche
Produktionsflächen, es sind Wälder, die wichtig sind für Klimaschutz, Erholung und
Wasserspeicherung; es sind Orte der Erholung, des Tourismus und auch der
Biodiversität.
Und zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt, der Biodiversität sind auch die Bereiche
zum Schutz der Natur (BSN) existentiell für das Überleben der Menschen auf diesem
Globus, existentiell insbesondere für die nachfolgenden Generationen. Der
Regionalplanentwurf adressiert explizit und erstmals den Klimawandel – und reagiert
darauf mit der Ausweisung von WEBs (s.u.) und Bereichen für Erneuerbare Energien
(z.B. Freiflächen Photovoltaik in Hachen und Obervalbert). Aber der Verlust der
Artenvielfalt, der biologischen Vielfalt ist laut wissenschaftlicher Studien mindestens
genauso gravierend wie der Klimawandel. Daher ist es zu begrüßen, wenn auch über
die BSN Flächen hier versucht wird, die negativen Trends der Vergangenheit zu
stoppen und auch uns hier im Kreis Olpe verdeutlicht wird, welchen Teil der
Verantwortung auch wir zu tragen haben. Zu verhandeln ist sicherlich, wie die
Flächennutzer*innen, die Landwirte und Waldbesitzer*innen, ggf. unterstützt oder
entschädigt werden.
Ob eine Regionalplanung eine sinnvolle Ebene zur Planung von WEBs ist, kann mit
guten Gründen bezweifelt werden. Zu ungenau ist der Maßstab, zu gering sind die
Ortskenntnisse und lokalen Besonderheiten, zu wenig trägt eine solch übergeordnete
Planung zu Bürger*innenbeteiligung und Akzeptanz bei. Doch andererseits ist zu
konstatieren, dass die Kommunen und die Landespolitik ihrer Verpflichtung nicht
gerecht geworden sind. Seit Ende der 1990er Jahre gilt das EEG, mit der Privilegierung
des Baus von WKA im Außenbereich und der Verpflichtung für die Kommunen, der
Windenergie substantiell Raum zu verschaffen. Dies ist in vielen Kommunen nicht
gelungen, die Flächennutzungspläne und die Ausweisung von Vorrangzonen hat vor
Gerichten häufig keinen Bestand. Insbesondere in den letzten drei Jahren ist der
Ausbau der Windenergie in NRW fast zum Erliegen kommen, mehrere 10.000 Jobs
sind verloren gegangen. Die Existenz der Waldbauern und Waldbäuerinnen in
Südwestfalen steht durch Dürre und Borkenkäfer grundlegend auf dem Spiel. Dass der
Wirtschaftswald gänzlich für Windräder tabu bleiben soll, entzieht sich unserem
Verständnis und wird dazu führen, dass wir die angestrebten Klimaziele nicht erreichen
werden.



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