Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die Kaufkraftbindung ist über die letzten Jahre gestiegen, die Gewerbesteuer erreicht immer neue Rekorde, die Wohnungsnachfrage ist hoch und eben haben wir eine außerplanmäßige Kredittilgung beschlossen, um Negativzinsen zu entgehen. Wir haben 50 Jahre Lennestadt gut und mit tollen Veranstaltungen gefeiert – dafür ein Dank an die Verwaltung für die sehr gute Vorbereitung und Koordination – und, obwohl wir vor fünf Jahren noch A-Z-Streichlisten erstellt haben und weit entfernt von einem strukturell ausgeglichenen Haushalt waren, sieht es heute anders aus.
Alles super in Lennestadt könnte man denken: prosperierend, zukunftsfest, nachhaltig.
Zum Thema „Kurze Zeitspanne der Beratungen“ ist schon viel gesagt worden. In Zukunft kann es so nicht mehr sein. Zwei bis drei Wochen sollten schon zwischen Einbringung und erster Ausschusssitzung liegen.
Einige Dinge sehen wir sicherlich genauso wie die Mehrheitsfraktion in diesem Rat, andere sehen wir anders und haben dafür auch Vorschläge und Konzepte eingebracht. Mit etwas Zeitverzögerung werden sie dann auch hier umgesetzt, schade um die immer wieder verlorenen Jahre!
Um Zukunft zu gestalten, ist es notwendig, über Strategien und Konzepte zu verfügen. Dies fordern wir seit langem: Sei es Leerstandsmanagement, Baulückenkataster, Flächenmanagement, ÖPNV – und nicht zuletzt ein Radwegekonzept auch für den Alltagsradverkehr. Wir bemängeln seit langem, dass viel zu oft Entscheidungen gefällt werden, die Stückwerk sind. Wir benötigen mittel- bis langfristige Konzepte, um nicht immer diese Einzelfälle entscheiden zu müssen. Zum Thema Radwegekonzept beantragen wir daher, die erforderlichen Mittel in den Haushalt für das kommende Jahr einzustellen, um handlungsfähig zu sein, wenn die Verwaltung, Anfang des Jahres, die Bestandsaufnahme vorlegt.
Dass es guter Konzepte für die Zukunft bedarf, sehen wir auch an der Bewegung Fridays for Future. Sie hat die Politik in Bund und Land in Bewegung gebracht. Und auch im ländlichen Raum, auch in Lennestadt, z.B. Politiker dazu gebracht, einzugestehen, dass z.B. in Sachen Windenergie in den letzten Jahren seitens der Politik in Lennestadt eher eine Verhinderungspolitik gemacht wurde. Es fehlt auch hier ein Konzept für Lennestadt, wie die Produktion regenerativer Energien gesteigert, wie der Umweltschutz verbessert, wie Nachhaltigkeit gelebt werden soll.
Dank unserer Intervention sind aus zwei halben Stellen für USB und KSM zwei ganze geworden: und durch das Engagement von Herrn Rabe und Frau Dr. Vormstein ist endlich Fahrt und im Wortsinne Wind in die Umwelt- und Klimaschutzpolitik gekommen und es wird Präsenz in der Stadt gezeigt: Durch eine modernisierte Umweltbildung und innovative Konzepte wie z.B. Solardorf Halberbracht.
Auch der Bürgermeister hatte ein Konzept für die Zukunft angekündigt: Lennestadt 2030 – von Green Gold, Smart City oder Social Club war da die Rede. Aber schon lange haben wir davon nichts mehr gehört, in der Tagespolitik erleben wir in Teilen das Gegenteil. Da wird Green Gold beschworen und gleichzeitig soll ein Stück Grünes Gold, ein wertvolles Ökosysteme, soll ein Stück Lennestädter und landesweiter Kulturgeschichte zu profanem Baugebiet für wenige werden. Widersprüchlicher geht es nicht!
Smart City wird z.B. durch die E-Ladesäulen sicher in Ansätzen schon umgesetzt, aber wieder als Stückwerk, ohne Konzept wie Mobilität im 21. Jahrhundert im ländlichen Raum gedacht werden kann.
Und Social Club müsste auch bedeuten, dass die Tafel bzw. der Warenkorb keinen Zulauf mehr hat, dass alle Menschen gut in Lennestadt leben können. Und dazu gehört auch Klarheit: Es gibt keine, wie es so „schön“ auch auf der Website der Stadt heißt, sozial-schwachen Menschen; es gibt arme Menschen auch in Lennestadt und diese Armut gilt es abzuschaffen, in dem sich Politik, auch Kommunalpolitik, Ausschüsse und der Rat, dafür stark machen, dass allen Menschen genug zum Leben zur Verfügung steht, z.B. durch eine Grundrente oder ein kostendeckenden Mindestlohn.
Ein Konzept fehlt u.E. auch in der Reaktion auf den bevorstehenden Ärzte- und Personalmangel im Pflege- und Gesundheitsbereich. Es wird zwar Geld in die Hand genommen, für Headhunter, für Broschüren etc., aber es fehlt das Wichtigste: eine koordinierende Stelle, ein klar benannte/r Ansprechpartner/in, ein Kümmerer in der Verwaltung für Networking, bürokratische Unterstützung, etc. Daher haben wir einen Änderungsantrag zum Haushalt in diesem Sinne formuliert und fordern 50.000€ dafür im Haushalt 2020 bereitzustellen. Auch für die Folgejahre sollte diese Summe vorgemerkt werden, um eine Person auf mindestens halber Stelle als Stabsstelle einzustellen. Die Finanzierung hätte es aus der überplanmäßigen Mittelverwendung, die vorhin beschlossen wurde, passieren können.
Und noch ein Bereich, wo die seit Jahren angekündigte Konzeption noch nicht vorliegt: In den Jahren 2016/17 hat die Verwaltung begonnen, ein Integrationskonzept zu erarbeiten. Dies ist auch wichtig und notwendig, denn wir können davon ausgehen, dass die Flüchtlingszahlen in Zukunft auch wieder ansteigen werden – und die Menschen, die hier ankommen, Teil unserer Gesellschaft werden wollen und sollen. Aber anscheinend ist das Interesse oder auch der Wunsch der Mehrheitsfraktion, ein solches Konzept dem Rat vorzulegen, nicht sonderlich hoch. Denn in 2019 haben wir zu diesem Thema nichts vernommen. Stattdessen wird ein – eher symbolischer – Antrag der Seebrücke mit der Begründung abgelehnt, die Stadt habe hier keinen Handlungsspielraum bzw. sei nicht zuständig. Aber gleichzeitig werden Steuergelder in Höhe von 40.000€ für einen Schulbau in Afrika in den Haushalt eingestellt. Ist die Kommune für so etwas – sicherlich insgesamt ein sinnvolles und gutes Projekt – zuständig? Und wenn, sicherlich nicht als Antwort auf die Kritik an der Missachtung europäischer Werte im Mittelmeer. Wer das nicht so sieht, möge sich mal bitte in den kommenden Wochen mit dem ehemaligen Buftie der Stadt Sebastian Heinze unterhalten, was er so erlebt hat in Griechenland oder aktuell in Bosnien-Herzegowina. Man kann es nicht glauben, was er zu berichten weiß, über die katastrophalen Folgen der Europäischen Flüchtlingspolitik. Und das geht uns hier auch an, denn die glokale Welt kennt keine einsamen Inseln mehr.
Und daher stellen wir auch den Antrag, die Eine Welt Arbeit in Lennestadt wieder auf neue Füße zu stellen und zu stärken. Durch die Pensionierung von Dr, Droste, der auch für die Agendapolitik zuständig war, ist dieser Bereich komplett eingeschlafen. Auch auf mehrmaliges Nachfragen unserer Fraktion in der Verwaltungsspitze konnte hier keine Auskunft zur neuen Struktur gegeben werden. Wir fordern Sie, Herr Bürgermeister, auf, eine/n Mitarbeiterin der Verwaltung zu benennen, der oder die diesen Bereich, der ja auch ein wichtiger Teil der Agenda 21 der Stadt ist, in Zukunft bearbeitet und mit der Servicestelle Kommunen in einer Welt eine neue Konzeption für die Lennestadt in der Einen Welt, für partnerschaftliches Engagement, für eine Auseinandersetzung mit globalen Themen auf kommunaler Ebene erarbeitet. Dafür werden erste entsprechende Mittel bereitgestellt.
Notwendig ist auch eine Stärkung der Kulturarbeit, insbesondere auch der Kulturgemeinde. Daher soll aus unserer Sicht auch hier der Ansatz erhöht werden: um das Niveau der Veranstaltungen halten zu können aber auch um dieses zu erweitern und, zugespitzt formuliert, über das Bildungsbürgertum hinaus andere Schichten der Gesellschaft anzusprechen.
Ein letzter Punkt noch, der uns große Sorgen bereitet:
Die Fluktuation in der Lennestädter Verwaltung ist hoch, Wissen & Erfahrung geht verloren und muss mühsam neu aufgebaut werden. Hier gilt es in Zukunft auch mit einem Personalbindungs- und Motivationskonzept gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten und neue zu gewinnen. Auch hier gilt es, dem Thema Gleichberechtigung mehr Raum zu geben. Es ist ein u.E. trauriges Bild, wenn ein Foto der Innenministerkonferenz und ein Bild der Abteilungsleiterriege des Rathauses eine Gemeinsamkeit haben: nämlich nur aus Männern zu bestehen. Das ist einer modernen Verwaltung, eines modernen Unternehmens nicht angemessen.
Sie sehen, für uns als Fraktion B90/Die Grünen bleiben viele Punkte und Fragen offen und daher lehnen wir diesen Haushalt ab.
Vielen Dank.